Branche verursacht aktuell fast so hohe CO2 -Emissionen wie zivile Luftfahrt // Nachhaltigeres Geschäftsmodell hat positive Effekte auf die finanzielle Performance und die Reputation der Unternehmen // 5G-Netz erhöht Leistung und steigert Energieeffizienz im Vergleich zu weiterer 4G-Nutzung je Megabit pro Sekunde um 69 Prozent
Düsseldorf – Cloudserver, Netzwerke oder Videostreaming – die Digitalisierung braucht vor allem eines: sehr viel Energie. Die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) ist für mehr als drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das sind rund 1,3 Gigatonnen pro Jahr, von denen die Hälfte auf die Telekommunikationsindustrie entfällt. Dieser Anteil entspricht nahezu dem CO2-Ausstoß der gesamten zivilen Luftfahrt. Das zeigt eine Analyse der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG), die nach unterschiedlichen Kriterien untersucht, wo die Telekommunikationsbranche beim Thema Nachhaltigkeit steht. „Wir sehen, dass die Branche die Bedeutung von Nachhaltigkeit für ihr Geschäftsmodell erkannt hat. Es gibt jedoch noch viel Potenzial, um eigene Emissionen zu senken und Verbraucher sowie andere Unternehmen dabei zu unterstützen ebenfalls nachhaltiger zu werden“, erklärt Roman Friedrich, Partner und Telekommunikationsexperte bei BCG.
Dabei lohnen sich Investitionen in mehr Nachhaltigkeit doppelt. Sie verbessern nicht nur die Reputation des Unternehmens, sondern auch seine finanzielle Performance. Unternehmen, die sich konsequent nachhaltig ausrichten, erreichen Margen, die um zwei bis vier Prozent über den Durchschnittswerten des Wettbewerbs liegen. Telekommunikationsfirmen können vor allem mit Blick auf andere Branchen eine Vorreiterstellung einnehmen, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Sie können die CO2-Bilanz ihrer Kunden deutlich verbessern. Zum Beispiel können durch intelligente Verkehrsmanagementlösungen für die Smart City, wie Telematik oder Plattformen für Nahverkehrsanbieter, im Verkehr- und Transportsektor bis zu 30 Prozent an Emissionen eingespart werden. Die Aufklärung von Privat- und Geschäftskunden, digitale Dienste energieeffizient einzusetzen, verspricht ein weiterer wirksamer Hebel zu sein. „Durch die Allgegenwart von digitalen Produkten und Diensten kann sich die Branche zu einem wichtigen Multiplikator für Nachhaltigkeit entwickeln und neue Märkte mit über 100 Milliarden Euro Wertschöpfungspotenzial eröffnen“, so Roman Friedrich. Die Telekommunikationsunternehmen werden zudem als Arbeitgeber und als Investment attraktiver.
Mangelnde Kreislaufwirtschaft trübt Umweltbilanz der Branche
„In der Öffentlichkeit wird die Telekommunikationsbranche bislang kaum als CO2-Verursacher wahrgenommen. In der Kritik stehen vor allem Energieversorger, der Luft- und Autoverkehr oder die Chemieindustrie“, erklärt Roman Friedrich. Ein Beispiel verdeutliche die wahren Dimensionen: „Allein durch den Konsum von Internetvideos entstehen pro Person und Jahr Emissionen von über 100 Kilogramm CO2-Äquivalenten.“
Einen erheblichen Beitrag zur schlechten Ökobilanz leisten kurzlebige Smartphones, die vor allem in der Herstellung umweltbelastend sind. Hier besteht laut Friedrich ein großes Potenzial für die Branche. Ihre Recyclingquote liegt bislang lediglich bei 20 Prozent, obwohl ein Wertschöpfungspotenzial von 39 Milliarden Dollar durch Aufbereitung alter Mobiltelefone auf dem Zweitmarkt vorliegt. „Allein in Deutschland liegen nach Angaben des Branchenverbands Bitkom 124 Millionen Smartphones ungenutzt in den Schubladen. Durch die Aufbereitung eines einzelnen Geräts können bis zu 55 Kilogramm CO2 gespart werden. Bei konsequenter Wiederverwendung gäbe es einen starken Hebel, um ohne große Umstellungen nachhaltiger zu werden“, erklärt Friedrich.
Konsequente Ausrichtung auf 5G spart Energie
Weitere Vorteile verspricht der Einsatz von innovativen, energieeffizienteren Technologien, wie dem 5G-Standard. 5G-Netze sind nicht nur leistungsstärker, sondern verbrauchen pro Gigabyte auch weniger Strom als die heutigen Standards, wenn diese noch bei den steigenden Datenvolumina eingesetzt werden würden. 2025 fällt der Verbrauch gegenüber weiterer Nutzung von 4G um 69 Prozent je Megabit pro Sekunde geringer aus.
„Viele Unternehmen der Branche haben den Handlungsbedarf erkannt, es fehlt aber noch an strategischen Maßnahmen“, sagt Friedrich. So gibt es zwar Absichtserklärungen, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Aber nur in wenigen Telekommunikationskonzernen ist der Faktor Nachhaltigkeit beispielsweise in variable Vergütungssysteme integriert. Auch die Vorgabe, nachhaltige Lieferanten zu priorisieren, sind in der Regel unverbindlich. „Die gesamte Branche hat jetzt die Chance, Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Erfolg zu verzahnen, wenn sie die richtigen Schritte in Richtung CO2-Neutralität konsequent weitergeht“, ergänzt Friedrich.
Die Analyse kann hier heruntergeladen werden.
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