Düsseldorf, 27. November 2020 – Die geplante Frauenquote für deutsche Vorstände hebt den Anteil an weiblichen Vorständen in den 100 größten börsennotierten Unternehmen um sechs Prozentpunkte auf insgesamt 16 Prozent, wenn die von der Regierungskoalition beschlossene Quotenregelung bis 2022 von allen betroffenen Unternehmen umgesetzt wird und der Zuschnitt ihrer Vorstände gleich bleibt. Damit wird Deutschland im EU-weiten Vergleich der Länder nach Frauenanteil in Unternehmens-vorständen von Platz 24 auf Platz 18 ins Mittelfeld aufsteigen. Das sind Ergebnisse einer Analyse der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) zum Effekt der geplanten Reform des „Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ (FüPoG II) und zu seinen Auswirkungen auf die Vorstände der 100 größten börsennotierten Konzerne. „Wir wären in zwei Jahren dort, wo Spanien und Portugal bereits heute sind. Damit kommt die Gleichstellung nicht weit genug voran. Die Quote ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben nur ein Schritt“, sagt Nicole Voigt, BCG-Partnerin und Autorin der jährlich erscheinenden Analyse BCG Gender Diversity Index.
Aktuell gibt es unter den 100 größten Konzernen 29 Firmen, deren Vorstände mehr als drei Mitglieder zählen und bislang nur von Männern besetzt sind. 27 Unternehmen haben weniger als drei Vorstandsmitglieder, für sie hätte das Gesetz keine Auswirkungen. In 44 Konzernen sitzt bereits mindestens eine Frau im Vorstand. „Durch das neue Gesetz würden 29 Frauen in die Vorstände der Top-100-Firmen einziehen. Um mit den männlichen Kollegen gleichzuziehen, müssten es aber 175 sein. Die Veränderung ist eher marginal“, erläutert Voigt.
Die Regierungskoalition hatte sich Ende November nach langen Verhandlungen auf eine verbindliche Frauenquote in Vorständen geeinigt. Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern müssen demnach mindestens eine Frau in das Führungsgremium bestellen. In der kommenden Woche wird der Gesetzesentwurf den Koalitionsspitzen zur Entscheidung vorgelegt, der Kabinettsbeschluss soll Anfang Januar erfolgen, 2022 das Gesetz in Kraft treten.
In IT und Maschinenbau die wenigsten weiblichen Führungskräfte
Ein genügend großes Potenzial an geeigneten Kandidatinnen für die Top-Jobs ist immerhin vorhanden. Bei den 100 größten Unternehmen liegt der Frauenanteil auf der ersten und zweiten Ebene unter dem Vorstand im Schnitt bei 22 Prozent. Besonders hoch ist der Anteil weiblicher Führungskräfte mit 31 Prozent in der Pharma- und Medizinbranche. Die Finanzdienstleister und Chemieunternehmen liegen mit 25 Prozent ebenfalls über dem Durchschnitt. Die wenigsten weiblichen Kandidaten gibt es in den Talentpipelines von IT-Firmen (14 Prozent) und im Maschinenbau (11 Prozent). „Der technische Bereich gilt immer noch als Männerdomäne. Über kurz oder lang können diese Branchen ihr Nachwuchsproblem – auch im Top-Management – nur lösen, wenn sie auch Frauen für MINT-Berufe begeistern“, sagt Marcus van der Vegte, BCG-Partner und Ko-Autor des BCG Gender Diversity Index.
„Die Quote allein bringt uns nicht weiter, wir brauchen ein ganzes Bündel von unterstützenden Maßnahmen“, stellt van der Vegte fest. „Wenn Unternehmen beispielsweise den Frauenanteil nicht nur für den Vorstand, sondern auch für die erste und zweite Ebene darunter veröffentlichen müssen, erhöht sich die Transparenz. Auch spezielle Job-Sharing-Angebote für Führungskräfte können Frauen den Weg in die Chefetage ebnen“, sagt Nicole Voigt. Solche Angebote müssten auch für Männer attraktiv sein. Gleichstellung lasse sich nur verwirklichen, wenn Unternehmen sich von dem tradierten Rollenverständnis lösten, das vor allem Männer in der ersten Führungsebene sieht.
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