Vergleich der Top-Etagen von Firmen hierzulande zeigt marginalen Fortschritt bei Frauenanteil – und Rückschritt beim Verdienst von Frauen // Gleichberechtigung in Führungsgremien wird bei gleichbleibender Entwicklung des Gesamtindex erst in einem Vierteljahrhundert erreicht // Neue BCG-Studie analysiert Geschlechterverhältnis in Vorständen und Aufsichtsräten der österreichischen Wirtschaft
Wien – Der Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten der österreichischen Wirtschaft entwickelt sich nur sehr schleppend. Das ist ein Ergebnis der Studie Boarding Call: BCG Gender Diversity Index Austria 2019 – Wie Unternehmen mit Vielfalt den Sprung nach oben schaffen der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG), die zum zweiten Mal erscheint. Mit einer schwachen Zunahme bei Vorständinnen um rund zwei Prozentpunkte im Jahr 2019 sind nach wie vor insgesamt lediglich acht Prozent der österreichischen Vorstandsposten mit Frauen besetzt (2018: sechs Prozent). Unter den Aufsichtsräten erhöht sich der Frauenanteil um drei Prozentpunkte auf 24 Prozent (2018: 21 Prozent).
„Österreich wird erst im Jahr 2042 ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in Führungsgremien erreichen, wenn die Entwicklung wie bisher weitergeht“, sagt Dr. Sabine Stock, Partnerin bei BCG und Ko-Autorin der Studie. Das sei später als die im Jahr 2040 angestrebte Klimaneutralität des Landes. In über vier Fünfteln der Unternehmen sind die Vorstandsposten nach wie vor rein männlich besetzt. In den 50 größten börsennotierten Unternehmen gibt es nur drei weibliche Vorstandsvorsitzende. „Die österreichische Bundesregierung ist diverser als alle untersuchten Unternehmen, würden wir sie in unseren Index integrieren“, sagt Stock.
Für die Studie analysierte BCG bereits zum zweiten Mal die 50 größten börsennotierten Konzerne Österreichs im Hinblick auf Vielfalt in den Führungsgremien. Dabei standen die Verteilung der Geschlechter in Vorstand und Aufsichtsrat sowie deren Vergütung im Mittelpunkt. Mit Daten aus zwei Jahren in Folge lässt sich nun nicht nur der Istzustand, sondern auch die Entwicklung in den Unternehmen nachvollziehen.
Hohe Punktzahlen – aber nur für wenige Unternehmen
Wie man Vielfalt in der Top-Etage schafft, zeigen die diesjährigen „Diversity Champions“: An der Spitze des BCG Gender Diversity Index Austria stehen dieses Jahr die Versicherung Vienna Insurance Group (VIG) mit 91 von 100 möglichen Punkten, der Textilhersteller Wolford (81 Punkte) und der Leiterplattenproduzent AT & S Austria Technologie & Systemtechnik (69 Punkte). Es folgen das biopharmazeutische Unternehmen Marinomed Biotech, die BKS Bank sowie der Ziegelproduzent Wienerberger. Eine Geschlechterparität herrscht in Bezug auf den Frauenanteil bei zwei der Top 5 im Bereich der Vorstände – bei VIG und Wolford –, jedoch in keinem Aufsichtsrat. Lediglich zwei Unternehmen – Wienerberger und Erste Group – beriefen im vergangenen Jahr eine zusätzliche Frau in den Vorstand.
Insgesamt zeigt sich ein starkes Gefälle nach der Spitze des Index. „Österreich überzeugt mit einzelnen Diversitätsleuchttürmen, anschließend wird die Luft für weibliche Führungskräfte dünn“, sagt Stock. Nur sechs österreichische Unternehmen erreichen mehr als 50 Punkte, im Mittelfeld gibt es 2019 kaum Bewegung, und noch immer verharren neun der 50 Unternehmen bei null Punkten (die komplette Liste gibt es hier). „Dabei wäre die Schwelle von 50 Punkten durchaus erreichbar. Dafür muss im Durchschnitt nur eines von vier Mitgliedern je Führungsgremium eine Frau sein, und diese Frauen müssen mindestens 50 Prozent dessen verdienen, was ihre männlichen Kollegen erhalten“, erläutert Stock.
Österreich unterscheidet sich damit etwa von Deutschland, das bei der Geschlechterparität bis dato deutlich mehr Breitenwirksamkeit erzielt hat: Rund vier von zehn deutschen Unternehmen sind in ihren Führungsgremien und in der Entlohnung so aufgestellt, dass sie auf Basis der Methodik des BCG Gender Diversity Index mehr als 50 Punkte erreichen, in Österreich ist es nur eines von zehn Unternehmen. Rund acht von zehn Unternehmen agieren in Österreich gänzlich ohne weiblichen Vorstand; in Deutschland sind es nur noch vier von zehn. Komplett ohne weibliche Spitzenkräfte, das heißt weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat, ist in Österreich nahezu noch jedes fünfte Unternehmen (18 Prozent), in Deutschland sind es nur noch acht Prozent.
Gehaltslücke in der Führungsebene vergrößert sich
Noch mehr Ungleichheit als bei der Geschlechterparität weisen Vorstände und Aufsichtsräte in Österreich bei der Gehaltsparität auf: Die Lücke zwischen den Gehältern von Frauen und Männern in Top-Etagen hat sich in diesem Jahr vergrößert – von 16 auf 20 Prozent. In den Aufsichtsräten weitete sich der Vergütungsunterschied minimal von 16 auf 17 Prozent aus, auf Vorstandsebene von 16 auf 22 Prozent.
„Österreichische Unternehmen verschenken mangels Fortschritt Chancen in Sachen Diversität“, so Stock. „Denn Frauen im Top-Management zu besetzen, ist nicht nur eine Frage des Image, sondern bringt echte wirtschaftliche Vorteile.“ Verschiedene BCG-Studien zeigen, dass Unternehmen, die Vielfalt an der Firmenspitze etablieren, innovativer1 und wirtschaftlich erfolgreicher sind. Zum Beispiel ist die operative Umsatzrendite (EBIT-Marge) um neun Prozentpunkte höher, wenn das Top-Management überdurchschnittlich divers ist2. „Unternehmen sollen Diversitätsziele als Business-Ziele verstehen, sie entsprechend verankern und deren Erreichung auch laufend überprüfen“, empfiehlt Stock. „Eine familienfreundliche Unternehmenskultur als Grundvoraussetzung für Diversität, das bewusste Herausfordern von Frauen, sich im Job zu beweisen, und auch der Mut, noch unbekannten Köpfen den Aufstieg in Führungsgremien zu ermöglichen, können sich zusätzlich als Turbo im Bereich der Geschlechterparität erweisen.“
Die Studienergebnisse gibt es hier.
Über die Studie
Für die Studie Boarding Call: BCG Gender Diversity Index Austria 2019 – Wie Unternehmen mit Vielfalt den Sprung nach oben schaffen hat die Boston Consulting Group (BCG) die 50 größten österreichischen Unternehmen untersucht, die im Prime- oder Standard-Market (ATX, ATPX, WBI) gelistet sind und die benötigten Daten zur Berechnung des Index veröffentlichen (sortiert nach Marktkapitalisierung zum Stichtag 31. Dezember 2019). Der entwickelte Index setzt sich zusammen aus dem Anteil an Männern und Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat des jeweiligen Unternehmens zum Stichtag sowie der Verteilung der Vergütung in den beiden Gremien nach Ausweis des letzten vollständigen Jahresberichts. Diese vier Faktoren gehen jeweils zu einem Viertel in die Gesamtwertung ein.
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