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Zurück Auf Die Überholspur: Retail Banking Findet Seine Innovationskraft Wieder

Holger Sachse Jasper Barth

Nach Jahrzehnten der gepflegten Langsamkeit und an Lähmung grenzender Stabilität schüttelt sich Retail Banking den Staub vom Geschäft. Treiber dieser Revolution sind zwei fundamentale Veränderungen, die sowohl den globalen als auch den deutschen Retail-Banking-Markt aus seinem Winterschlaf holen:

1. Erträge werden „fluide“:
Nach langen Jahren der Lethargie zeigen Kunden erstaunliche Wechselbe reitschaft bei ihrer Hauptbankbeziehung. Denn: Wechsel lohnt sich wieder. Kerntreiber sind zudem zunehmende Preissensitivität, gestiegene finanzielle Bildung und ein höherer Anspruch, finanzielle Themen selbst zu regeln. Auch die Regulatorik bewegt Banken immer mehr dazu, es Kunden leichter zu machen, die Bankbeziehung zu wechseln. Insgesamt erwarten wir bis 2030 eine Neuverteilung von bis zu 20% der Erträge pro Jahr, je nach Banken- und Kundengruppe - heute sind es rund 5 bis 7%

2. Technologischer Fortschritt führt zur Implosion der Stückkosten und ermöglicht erstmalig einen massiven Produktivitätsschub.
Während sich Produktivitätssteigerungen im Retail Banking in den letzten 30 Jahren kaum bemerkbar machten und im besten Fall eine Bewegung mit der Inflationsrate verzeichneten, verspricht die Zukunft: Zunehmende Prozessdigitalisierung und der Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz (GenAI) verändert Wertströme strukturell und massiv. Neben allgemeinen Produktivitätszuwächsen werden die Stückkosten für viele Bankprodukte um 40% oder mehr sinken.

Diese zwei Hebel wirken determinierend auf die gesamte Industrie. Die Aussichten für Spieler, die sich schnell auf die neue Realität einstellen und konsequent handeln, sind vielversprechend:

Signifikante Kostensenkungen führen zu nie da gewesenen Spielräumen in Margen- und Preisgestaltung
Die Vielzahl technologisch gestützter Möglichkeiten ermöglicht zudem ein besseres Kundenerlebnis zu einem ökonomisch sinnvollen Aufwand
In Summe verspricht das die Möglichkeit insbesondere bei Selbstentscheidern 2 bis 3-fach Kunden erreichen und gewinnen zu können. Wer hingegen teuer, wenig digital und kaum innovativ bleibt, wird Kunden verlieren. Die Kluft zwischen Gewinnern und Verlieren wächst, die Industrie wird insgesamt profitabler. Wir rechnen damit einhergehend mit einer erneuten Welle der Konsolidierung – im Jahr 2030 wird es insbesondere außerhalb der dezentralen Verbundorganisationen 30–50% weniger Banken in Deutschland geben

Um vorne mitzuspielen, sind für die meisten Banken deutliche Veränderungen notwendig. Eine konsequente Ausrichtung des Vertriebs auf „Digital First“ mit punktueller Unterstützung durch Kundenberater wird zum Imperativ. Ein umfänglicher Omnikanalansatz erscheint nur in dezentralen Strukturen und wenigen Ausnahmen möglich. Nur so kann gezielte und datengetriebene Kundenansprache sowie intelligentes Cross-Selling gelingen. Prozesse müssen skalierbarer werden, um Kosten zu sparen – das Ende der „Backoffice-Customization“ ist gekommen. Hinzu kommt, dass Banken ihre Bilanzen und Geschäftsportfolios umbauen müssen, um ihre Attraktivität für Investoren zu erhöhen – und zwar deutlich schneller als bisher. Die Geschwindigkeit bei Planung und Umsetzung von „Change-The-Bank“ (CTB) Projekten wird zunehmen müssen (um ca. zwei Drittel) – dafür braucht es die richtigen Leute und ein nie dagewesenes „Buhlen“ am hart umkämpften Arbeitsmarkt.

Mit Erkenntnissen aus mehr als 50 Interviews mit Branchenexperten und Führungskräften, die die Ergebnisse unserer Marktmodellierung und -simulation einwerten und bewerten, skizziert diese Studie fundiert die Zukunft des Retail Banking. Auf dieser Basis fassen wir unsere Perspektive zur veränderten Wirtschaftlichkeit der Branche zusammen und zeigen Ansatzpunkte für Retail Banken auf, um aus dieser Veränderung als Gewinner hervorzugehen.